Drehmoment oder Leistung, was ist wichtiger ?
Wenn es ein Thema gibt, über das man in Sachen Motortechnik reden kann, dann ist das Drehmoment und Leistung. Für viele bleibt es nach wie vor eine schwierige technische Angelegenheit. Vor einigen Jahren hatte ich dazu in einer Porschezeitung den folgenden Aufsatz geschrieben:
Einleitung:
Jürgen Albert von Albert Motorsport in Oberhausen hat angeboten, es uns noch einmal in einfachen Worten die Unterschiede zwischen Drehmoment und Leistung zu erklären. Wir nehmen das Angebot gerne in Anspruch. Vielleicht verstehen es sogar die Redakteure.
Leistungs- und Drehmomentkurve des 997 Carrera S
A = Leistung (kW)
B = Leistung (PS)
C = Drehmoment (nM)
D = Drehzahl (U/min-1)
Drehmoment und Leistung, was ist wichtiger?
Das Drehmoment eines Motors beschreibt die Kraft, welche die Antriebsquelle bei einer bestimmten Drehzahl entwickelt. Beispielsweise entsprechen 310 Nm einer Kraft von 310 Newton multipliziert mit einem Hebelarm von einem Meter. Befestigt man also einen Hebel von einem Meter Länge an der Kurbelwelle des Autos, dann steht am Ende des Hebels eine Kraft von 310 Newton zur Verfügung. Nach der bisherigen Terminologie sind es 32 Kilopond (Kp). Bei einem Hebel von zwei Metern an der Kurbelwelle stehen am Ende noch 16 kp zur Verfügung.
Wenn wir ein Kabel auf einer Rolle mit einem Durchmesser von zwei Metern haben (entspricht einem Hebel von einem Meter), können wir mit der Kurbelwelle ein Kabel von 32 Kp hochziehen. Wenn der Durchmesser der Rolle einen Meter betragen würde, könnten wir ein Gewicht von 64 Kp heben, allerdings mit halber Geschwindigkeit.
Im Auto passiert das, wenn ein Gang heruntergeschaltet wird. In allen Gängen sind Kraft und Geschwindigkeit immer umgekehrt proportional. Für den Motor selbst ändert sich jedoch nichts. Hier kommt der Begriff der Leistung ins Spiel, die in kW oder PS angegeben wird.
Die Leistung ist die Größe, die unabhängig von Seilrolle, Umlenkrollen oder Getriebe gleich bleibt. In Physiklehrbüchern wird eine Pferdestärke als 75 kg m/s definiert, also als eine Kraft, die 75 kg in einer Sekunde einen Meter heben kann; oder kann 150 kg in vier Sekunden bzw. 300 kg 25 cm in einer Sekunde heben. Je schneller ein Motor bei ungehinderter Leistungsentfaltung läuft, desto höher ist die Leistung. Wenn ein Motor bei doppelter Drehzahl das gleiche Drehmoment hat, dann verdoppelt sich die Leistung. Aufgrund dieser Verbindung steht die maximale Leistung eines Motors erst bei hohen Drehzahlen zur Verfügung, während das maximale Drehmoment bei niedrigeren Drehzahlen zur Verfügung steht.
Was ist für den Antrieb wichtiger, Drehmoment oder Leistung? Dies hängt in erster Linie vom Fahrstil und der Betätigung der Gänge ab. Mit dem Getriebe kann aus hoher Motordrehzahl und geringer Motorleistung durch Herunterschalten mehr Leistung erzeugt werden, die dann am Ende des Getriebes bei entsprechend geringerer Drehzahl zur Verfügung steht. Ein vertrautes Erlebnis für jeden Fahrer, der am Berghang herunterschalten muss, um mehr Vortriebsleistung zur Verfügung zu haben.
Beim Überholen gibt es aber auch ein Herunterschalten. Dadurch kann der Motor seine Arbeit mit höherer Drehzahl verrichten und mehr Leistung erzeugen. Bei zunächst gleicher Geschwindigkeit steht mehr Leistung bzw. Vortriebskraft zur Verfügung und dies führt zu einer höheren Beschleunigung. Wer den Motor durch sorgfältiges Schalten auf hoher Drehzahl hält, kommt also am schnellsten voran.
Das machen vor allem sportliche Fahrer. Sie sind meist nur an der Leistung (Anzahl der PS) interessiert, da sie meist dort mit hohen Geschwindigkeiten fahren, wo diese PS zur Verfügung stehen. Wie viel Drehmoment der Motor hat und bei welcher Drehzahl dieses Drehmoment zur Verfügung steht, ist ihnen weniger wichtig.
Bei ruhigerem Fahren wird eine niedrigere Geschwindigkeit gewählt. Das macht weniger Lärm, verursacht weniger Verschleiß und spart zudem Kraftstoff. Der Nachteil besteht darin, dass beim schnellen Überholen oder Einfädeln zunächst heruntergeschaltet werden muss. Und das kostet mehr Zeit und bedeutet mehr Aufwand.
Wenn der Motor jedoch bei niedriger Drehzahl ein hohes Drehmoment hat, dann reicht es zum Beschleunigen aus. Das bedeutet, dass Sie deutlich „schaltfauler“ fahren können.
Fazit: Bei Höchstgeschwindigkeit und im höchsten Gang bleibt ein Benziner mit 190 PS immer vor einem 150 PS starken Diesel. Aber mit einem Anhänger hinter dem Auto in einer langsamen Kolonne mit niedriger Geschwindigkeit einen Berg hinaufzufahren, ist eine andere Geschichte. Mit 310 Nm Drehmoment muss der Dieselfahrer zum Überholen oder Aufschließen nur Gas geben, während der Benziner mit 255 Nm zunächst herunterschalten muss.
Bei Rückfragen antworte ich gern.
Jürgen Albert